Differentielle Psychologie 1:Einführung
Version vom 18. März 2010, 23:39 Uhr von Administrator (Diskussion | Beiträge)
Inhaltsverzeichnis
Aufgabenstellung
- Art- und Ausmass individueller Unterschiede
- Wechselbeziehungen zw. ps. Merkmalen
- Ursachen individueller ps. Differenzen
- Manifestation der Differenzen
Hauptfragestellungen (Stern)
- Variationsforschung - ein Merkmal an vielen Personen (Zwillingsforschung)
- Korrelationsforschung - mehr Merkmale an vielen Personen (Intelligenzforschung)
- Psychographie - mehr Merkmale einer Person untersucht (Persönlichkeitsprofil)
- Komparationsforschung - zwei oder mehr Personen werden in Bezug auf mehrere Merkmale untersucht (Typisierungsverfahren, Cross-Cultural-Psychologie)
Cattel (1957)
- Person & Merkmal (in Situation) - Q, R
- Person & Situation (hins. Merkmal) - S, T
- Merkmal & Situation (einer Person) - O, P
Differentiell-psychologische Methodenentwicklung
- enge Beziehung zur Psychologischen Diagnostik
- neue Erhebungsmethoden
- Modelle / Methoden zur psychometrischen Qualitätskontrolle
3DW (Gittler, 1990)
- Eindimensionalität - misst für alle Personen diesselbe latente Fähigkeit
- Überwindet Ausgangswert-Abhängigkeit
- Würfel mit je 6 verschiedenen Mustern, 3 davon sichtbar, Vorgabe in veränderter Lage zu vergleichen mit 6 Antwortwürfeln A-F
Variablen und Variablenwerte
- Variablenwerte (Merkmalswerte) charakterisieren Personen
- Variablen Populationen
operationale/analytische Begriffsdefinition
- operationale Definitionen
Standardisierung durch Angabe welche Operationen zur Erfassung des durch den Begriff bezeichneten Sachverhalts notwendig sind oder
durch Angabe von Indikatoren (Ergebnisse zeigen Vorliegen des Sachverhalts an) - analytische Definitionen
machen Untersuchungsgegenstand transparent
Überbrückungsproblem: theoretische Konstruke mit empirisch messbaren Variablen verbinden
Traits
Quantifizierbare, psychische Merkmale, die transsituativ stabil sind
Bridgman (1927) fordert genaue Beschreibungen von wissenschaftlichen Begriffen und Operationen
- Beschreibung (individuelle Unterschiede)
- Generalität (Situationsabhängigkeit)
- Stabilität (Variation der Traits über die Zeit)
- Ursache (z.B. Anlage - Umwelt Problematik)
- Wechselseitige Abhängigkeit (aggressiv - durchsetzungsfähig)
- Trainierbarkeit (Änderbarkeit: wie in welchem Ausmaß)
Aspekte der Persönlichkeit, wenn Eigenschaften mittelfristig stabil (Fröhlichkeit instabil)
Forschungsansätze
Komparationsforschung - Typologischer Ansatz
- Personen nach Merkmalen gruppieren
- früher fehlten Methoden, heute gibts statistische Typisierungsverfahren (Cluster Analyse, Latent Class Analyse)
- Hippocrates gruppierte nach Körpersäften: Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker, Melancholiker
- Definition (Stern): Typus ist vorwaltende Disposition, die einer Gruppe von Menschen gleicher Art zukommt
Korrelationsforschung - Trait Modell
Eysenck (1965):
- Faktorenanalyse nach individueller Messung → Introversion/Extraversion / emotionale Stabilität/Labilität
- innerer Kreis: cholerisch, phlegmatisch, sanguinisch, melancholisch
- äusserer Kreis: labil, stabil, introvertiert, extravertiert
- Dimensionen beliebig fein abstufbar
Allgemeine vs. Differentielle Psychologie
Lange Zeit gegensätzlich... Eigentlich ergänzen sie sich - differentielle Erklärungen für relevante Abweichungen von allgemeinpsychologischen Gesetzmässigkeiten
Allgemeine
- nomothetische Zielsetzung
- Gesetzmässigkeiten, die alle Individuen gemeinsam haben (durchschnittlich abstrakte Person)
- individuelle Unterschiede als Messfehler interpretiert
Differentielle
- idiographische Zielsetzung
- Querschnitt: Unterschiede zwischen Personen zu bestimmten Zeitpunkt
- Längsschnitt: Unterschiede innerhalb einer Person zu mehreren Zeitpunkten
- intraindividuell: Erleben und Verhalten einer Person
- interindividuell: zwischen Personen und -gruppen
Sandersches Parallelogramm
Paralellogramm mit unterschiedlich langen Linien L & R, die täuschen
- Allgemeinpsychologisch: Phänomen universell erklären, Länge hat Einfluss auf Täuschbarkeit, Individuelle Unterschiede sind Messfehler
- Differentialpsychologisch: der Täuschungs%satz bei Weißen höher als bei Schwarzen
Historische Grundlagen
Anfänge der Psychologischen Testung in China
- 2200 v.: In China Fitnesstests der Regierungsmitarbeiter
- 1115 v.: Kanditaten (Staatsamt) in 6 Basiskünsten (Musik, Bogenschiessen, Reiten, Schreiben, Rechnen, Riten-Wissen)
- 14. Jhd: endgültige Form: letzte Testung 1905: 3 Prüfungen im Jahresabstand, 24 h isolierte Einzelzelle, 1 Gedicht, 2 Essays, Beurteilung Durchfallsquote 93-97%
- Grundannahme: Jeder Mensch kann nach bestimmten Traits unterschieden werden, welche stabil sind und generalisiert werden können.
Biologische Wurzeln
Darwin
- widerspricht Aristoteles, der meint, dass Art wesentliche Merkmale des Individuums ausmacht
- Individuelle Differenzen sind Vorraussetzung für Selektion und Evolution
- Merz: Variationsvielfalt im Phänotyp heisst, dass immer einige schon auf neue Situation vorbereitet sind - je homogener eine Gruppe desto gefährdeter
Mendel
- Kreuzungsversuche mit Erbsen
- Eigenart des Individuums hängt von Kombination der Erbanlagen ab
Galton
- Brilliantester Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts
- Begründer der Untersuchung individueller Differenzen
- Zwillingsmethode (Erb- und Umweltfaktoren entschlüsseln)
- Stammbaummethode (Ballung von Begabungen in Familien aufzeigen)
- Index of Correlation (von Pearson zum Korrelationskoeffizienten weiterentwickelt)
- Begriffseinführung: Test, testete als erster Intelligenz
- Verarbeitung von Wahrnehmungsreizen als Intelligenzgrundlage ► Cattel führt weiter → Sackgassen, niedriges r
- Spearman führt weiter entwickelt die 2 Faktoren Theorie
Stern als Begründer der Differentiellen Psychologie
- Über die Psychologie der Individuellen Differenzen (1900) wegweisende Monographie
- Forschung systematisch entwickeln, mittels Experimenten untersuchen
- legte 1911 Grundlage für DiffPsy mit Die Differentielle Psychologie in ihren methodischen Grundlagen
- nomothetische und ideographische Betrachtung seelischer Vorgänge
- Erfinder des IQ
- betont methodisch-statistische Fundierung
- Hauptziele: Psychognostik: Menschenkenntniss / Psychotechnik: Menschenbehandlung
Entwicklung individueller Testskalen
Binet's Beitrag
- erste kognitiv orientierte Intelligenzsskala (gemeinsam mit Simon 1905)
Art der Bewältigung einer aktuellen Situation - gut urteilen, gut verstehen, gut handeln - Eichung an 50 gesunden und 30 behinderten Kindern
- Aufgaben mit steigender Schwierigkeit
- Items: Gedächtnis, Vorstellungskraft, Aufmerksamkeit, Verständnis, Willensstärke, motorische Fähigkeiten, moralische Haltungen
- Konstruktion alterssensitiver Aufgaben (Items, die von 50-75% d. Altergruppe gelöst werden):
• 5 Items pro Stufe (3-15 Jahre)
• Intelligenzalter bestimmen
• alle Aufgaben gelöst → Grundalter
• Zusätzliche Lösungen jeweils 1/5 Alterszuwachs
• Differenz zwischen IA - LA ergibt Entwicklungsstand des Kindes - Kritik:
• Eichung (Oberschicht war intelligenter)
• zu verbal
• nicht objektiv (Testleiterbewertung)
• keine trennscharfen Aufgaben für ältere Kinder
• Intelligenzzuwachs ist nicht linear (rasch, dann langsamer)
• Gleiche Differenzen bedeuten verschiedenes (abhängig vom Alter) - Stern IQ = (IA/LA)*100
sollte Konstanz der Interpretierbarkeit gewährtleistenrasch populär - Scheitelpunkt bei ca. 20-25 Jahren
Wechsler IQ
- für alle Altersgruppen einsetzbar
- Intelligenmaß = Abweichungs-IQ = 100 + 15 * (x - M) / s
M=100 s=15 normiert - IQ ist Standardwert. Da IQ von vielen Faktoren abhängig folgt aus zentralem Grenzwertsatz, dass IQ annähernd normalverteilt ist.
Kritik am IQ Konzept
- grobes globales Intelligenzmaß
- für diagnostische Fragestellung nicht ausreichend
- Kompensationsmöglichkeit von schlechten Subtestleistungen
- Eindimensional betrachtet
Faktorenanalyse als Skalenkonstruktionsmethode
- Informationsverdichtung
- Ziel: aus Variablensatz Grunddimensionen ermitteln
- Ausgangspkt: standardisierte Variablen und Interkorrelationen
- Methode:
- Versuch, Zusammenhänge auf wenige gemeinsame Faktoren zurückzuführen
- Varianzanteile bestimmen, die durch gemeinsame Faktoren erklärt werden
Vorraussetzungen
- metrische Daten, min. Intervallskala
- mehrkategorial → nicht dichotom (Bias)
- Normalverteilung der einzelnen Variablen
Regeln zur Beschränkung der Faktorenanzahl
- Eigenwertkriterium: Faktoren, deren Eigenwert (wieviel Varianz erklärt Faktor) > 1 ist werden extrahiert, viele Faktoren wegen Standardisierung.
- Scree-Test (Cattell): Scree-Plot, gesucht wird Stelle mit Anstieg - Knick, Zahl der Faktoren vor Knick wird zugrunde gelegt
Rotationsarten
- Orthogonale Rotation (rechtwinklig)
Gewinnung unabhängiger Faktoren, mit wenig hohen Ladungen (z.B. Primärfaktoren Thurstone)
- Oblique Rotation (schiefwinklig)
Gewinnung abhängiger, inhaltlich sinnvoller Faktoren (z.B. 16 Persönlichkeitfaktoren Cattells)
kann mehrmals faktorisiert werden, dadurch entstehen hierarchische Modelle (Itheorie von Horn & Cattell)
Durchführungsarten
- Exploratorisch: Faktorenstruktur wird erkundet, deskriptivstatistisch
- Konfirmatorisch: a priori festgelegte Faktorenstruktur wird auf Verträglichkeit mit empirischen Beobachtungen überprüft, hypothesengeleitet, inferenzstatistisch
Nachteile
- Stichprobenabhängigkeit
(homogene S. - viele Faktoren, geringe Ladung / heterogene umgekehrt) - Faktorenextraktion, -interpretation geschieht eher willkürlich
- Interpretationsuneindeutigkeit: vom Interpretierenden abhängig
- Variableneinbezug: Messen einzelne Items vielleicht mehrdimensional