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Intelligenztheorien

Kompetenz-Performanz Problem

  • Fähigkeiten sind Persönlichkeitseigenschaften, die Leistung ermöglichen
  • Leistungen sind Ergebnisse von Handlungen & bewertbar (gut/schlecht)

Nur bei gleicher Motivationsstärke ist die Leistung ein geeignetes Mass für Fähigkeit

gute Testsituation (Max Anstrengung d. Vpn):

  • Über- / Unterforderung vermeiden, Gute Leistungen belohnen, Genaue Instruktionen geben
  • Testwiederholungen → Maximalleistung bester Schätzer für Fähigkeit


Gliederungsmöglichkeiten der Intelligenztheorien (Sternberg):

  • Expliziter Zugang (auf empirischer Evidenz aufbauend)
  • Impliziter Zugang (welche Verhaltensweisen bringen Menschen mit Intelligenz in Verbindung)
    z.B. Laien (Sternberg 1981): Praktische Problemlösefähigkeit, Verbale Fähigkeit, Soziale Kompetenz


  • korrelative Ansätze (differentialpsychologisch)
  • experimentelle Ansätze (allgemeinpsychologisch)


Intelligenzdefinitionen

  • Boring (1923): "Intelligenz ist, was ein Intelligenz Test misst"
    unzweideutige Kommunikationsbasis
  • Anastasi (1958): "Unsere Intelligenztests messen nur die Fähigkeit in unserer speziellen Kultur erfolgreich zu sein"
    Nicht ganz richtig → erfolgreicher ≠ intelligenter, IQ sollte auch auf andere Kulturen übertragbar sein
  • Wechsler (): "Intelligenz ist die Fähigkeit zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit der Umwelt wirkungsvoll auseinanderzusetzen"
    sinnfreie Tautologie
  • Stern (1912): "Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit des Individuums, sein Denken bewusst auf neue Forderungen einzustellen; sie ist die allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Aufgaben und Bedinungen des Lebens"
Hofstätter (1977): Auffindung von Ordnungen
  • Dummheit erster Art:
    richtige H0 wird abgelehnt - Erkennen von Ordnung, wos keine gibt
  • Dummheit zweiter Art: → Intelligenztest misst das
    falsche H0 wird irrtümlich akzeptiert - Vorhandene Ordnung nicht erkannt
  • Intelligenz braucht man zum Auffinden innerer Ordnungen, äussere kann man mit Analysatoren messen.
  • Persönlichkeit beeinflusst Intelligenz


Vernon (1979): Bereiche der Intelligenz
  • Biologische Funktion:
    • Flexible Anpassung an die Umwelt: phylogenetische Entwicklung → Intelligenzunterschiede
    • zunehmende Flexibilität: Lernfähigkeit - Einsicht - Integration sensorischer Infos - Generalisaton auf neue Materialien und Situationen - Begriffsbildung - Abstraktion
    • Reflexe (unbewusste Organreaktion), Instinkte (angeborene Verhaltensweisen als Reizreaktion oder spontan)
    • Sicherheit der Verhaltenssteuerung durch Reflexe und Instinkte geht mit zunehmender Flexibiltät verloren
  • Soziale Funktion:
    • Intelligenz und Sozialstatus ist positiv korreliert
    • Soziale Aufsteiger / Führer sind meist überdurchschnittlich intelligent
  • Psychometrische Intelligenz:
    • Diagnostische Gültigkeit von Intelligenztests
    • Bestimmung der Art und Anzahl von Faktoren


Historische Entwicklung

  • Sinnesprüfungen
    Galton et al., nur minimale Korrelation
  • Erster Intelligenztest von Binet
    Aggregationsprinzip: reliablere Messung durch Mittelung d. Messwiederholungen
  • Entwicklung des IQ (Stern / Wechsler)
    Uneinigkeit - intellektuelle Fähigkeit: monistische vs. pluralistische Konzepte


3 Stufen der Intelligenztheorien-Evolution (Sternberg, 1990)

  • Stufe 1:
    monistische Theorie - Intelligenz als eine Einheit
    pluralistische Theorie - Intelligenz als Produkt unabhängiger Prozesse
  • Stufe 2: Intelligenz, Zusammensetzung mehrerer Komponenten:
    • Hierarchisch
    • Multifaktoriell (Überlappung möglich)
  • Stufe 3: Integration 1&2
    • Intelligenz als globales Konstrukt und Zusammensetzung aus unabhängigen und abhängigen Komponenten

Korrelative Intelligenztheorien

Monistische Intelligenztheorie

Generalfaktortheorie - Spearman

  • Ziel: Gemeinsames Element aller mental tests ermitteln
  • Testung 24 Schulkinder, 2 Variablen
    • Sensorische Diskrimination
    • Intelligenz
  • geringe Korrelation → Messungenauigkeiten vermutet
  • Entwickelt Verdünnungsformel, setzt aber statt hoher Reliabilitäten mittlere Interkorrelationen ein
  • Schluss: Grundlegende Fähigkeit → g - Faktor
  • Jedes Intelligenzmass hat g-Faktor (general intelligence) und s-Faktor (Test spezifisch)

Verdünnungsformel (Spearman)

  • Wahren Zusammenhang erhält man, wenn man empirisch ermittelte Korrelation durch das Produkt der Wiederholungsreliabilitäten der beiden Tests dividiert.
    • r(xy)*=r(xy) / Wurzel aus r(x x') * r(y y')
  • hatte damals Anwendungsfehler, setzte mittlere Interkorrelationen ein und r > 1

Theorie der Intelligenz (Spearman)

  • Erstes kognitives Prinzip
    apprehension of experience
    • passive "mental states"
    • aktive "cognitive acts"
  • Zweites kognitives Prinzip
    • "education of relations" - Ableitung und Kenntnis von Beziehungen
    • Beziehungen perzeptiver od. mentaler Natur, die aufeinander aufbauen
  • Drittes kognitives Prinzip
    • "education of correlates" - Gemeinsame Betrachtung von Inhalten und Relationen führt zum automatischen Evozieren von zusammenhängenden Inhalten

Multifaktorielle Intelligenztheorien

Primärfaktorentheorie - Thorstone

"Primary Mental Abilities" Beim Lösen von Denkaufgaben sind immer mehrere Gruppenfaktoren mit unterschiedlicher Gewichtung beteiligt

Entwicklung von Multipler Faktorenanalyse und Kriterium der Einfachstruktur.

Grundlage für LPS, PSB, IST...

Zuerst 9 dann 7 Primärfaktoren:

  • Space (Raumvorstellung):
    • Visualisation (Veranschaulichung)
    • Spatial relations (räumliche Lagebeziehungen)
  • Number (Rechnen)
  • Verbal comprehension (sprachliche Intelligenz)
  • Word fluency (Wortflüssigkeit)
  • Memory (Behalten paarweise gelernter Assoziationen)
  • Reasoning
    • Deduction (vom Allgemeinen aufs Besondere schliessen)
    • Induction (vom Besondern aufs Allgemeine)
  • Perceptual speed (Wahrnehmungsgeschwindigkeit)
  • Speed of closure (Gestaltschlussgeschwindigkeit - bruchstückhafte Bilder)
  • Flexibility of closure (Umstrukturierung und Wandlung von Gestalt - Umsprungbilder)


SOI | Structure of Intellect Modell - Guilford

Faktorenanalyse zur Hypothesenprüfung a priori theoretisiertes S-I Modell.

Beteiligung kognitiver Operationen (5), Produkte (6) und Inhalte (4)

→ 120 Intelligenzfaktoren, Kritik: die leider nicht wie postuliert unabhängig sind, sich also reduzieren lassen sollten

viele aktuelle Forschungsansätze basieren darauf

Frames of Mind - Gardner

"Theorie multipler Intelligenzen" an Guilford, Thurstone → Unterschied:

  • Erweiterung auf neue Felder
  • Integrative Natur (Berücksichtigt neue Wissenschaftsgebiete)
  • Autonomie der Intelligenzen
  • Offenheit für Erweiterungen

Unterteilt in multiple Intelligenzen: räumliche, linguistisch, logisch, musikalisch, personal (inter-, intra-)

Nachweismöglichkeiten:

  • neuropsychologisch: Läsionen...
  • kognitionspsychologisch: genetisch programmierte I/O, Kernoperationen identifizieren
  • entwicklung: phylogenetisch (Entwicklung der Intelligenz im Lauf der Evolution), ontogenetisch (einseitige Hoch- / Minderbegabung)
  • quantitativ-psychologischer Nachweis: experimentalpsychologisch (Eigenständigkeit der Intelligenzen), psychometrisch (Nullkorrelation zu anderen Bereichen)

Hierarchische Intelligenztheorien

Modell Vernon

Hierarchische Ordnung der Faktoren in 4 Ebenen:

  1. Spezifische Faktoren (kennzeichnet jeweiligen Test)
  2. Untergruppenfaktoren (fluency, writing, verbal comprehension, number, perzeptive Fähigkeit)
  3. Hauptgruppenfaktoren (verbal-edukativ, kinätisch-motorisch, induktive Fähigkeit)
  4. Höchster Allgemeinheitsgrad g-Faktor

Faktor dominiert immer Untervariablen, Korrelationen werden geringer

Modell Cattel

g-Faktor wird erschlossen durch Interkorrelation von Sekundär und Primärfaktoren

  • Faktoren 1. Ordnung → Primärfaktoren (individueller Anteil pro Person an gemeinsamen Faktoren)
  • Faktoren 2. Ordnung → Sekundärfaktoren (ergeben sich nach 2. Faktorenanalyse)
    • Gf - Fluid Intelligence: Fähigkeit sich auf neue Situationen einzustellen, Lernen hat kaum Einfluss, culture-fair messbar, starker Altersabbau)
    • Gc - Cristal Intelligence: Fähigkeit in der sich kummulierte Effekte früherer Lernprozesse kristallisieren, sprach- und kulturabhängig und mileubedingt, geringer Altersabbau
  • Extraktion eines Faktors 3. Ordnung möglich, da mehrere Primärfaktoren auf Gf, Gc laden

Erweitertes Cattel - Modell durch Horn

Entdeckt zusätzliche Faktoren zu Gf und Gc mittels Faktorenanalyse:

  • Gv - Visuelle Informationsverarbeitung (Visualisieren, mentale Rotation)
  • Ga - Auditive Informationsverarbeitung (Rythmus-Gefühl)
  • Gs - Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung
  • Gq - quantitative Fähigkeit
  • Gsm - Kurzzeitgedächtnis
  • Glm - Langzeitgedächtnis
  • CDS - Schnelligkeit der Beantwortung schwieriger Fragen

durch Gustafffson 1989 mittels konfirmatorischer FA bestätigt

Integrative Intelligenztheorien

Berliner Intelligenz-Strukturmodell (Jäger, 1984)

Vorgehen ist hypothesengeleitet und methodenkritisch, vereint Spearman, Thurstone, Guilford und allgemeine Erkenntnisse der Intelligenz Forschung.

  • Ausgangspunkt: Katalogisieren aller Aufgaben der I.- und Kreativitätsmessungen - Reduktion auf 191 Blöcke a 98 Aufgaben
  • Datenerhebung: 545 Vpn., 191 Variablen, 15 Std in 3 Tagen
  • = 4 Operationsfaktoren: Bearbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnis, Einfallsreichtum, Verarbeitungskapazität
  • = 3 Inhaltsfaktoren: figural-bildhaft, verbal, numerisch
  • Die Faktoren entsprechen Sekundärfaktorenniveau
  • Multifaktoriell bedingte Leistungen laden je auf einen inhaltsgebundenen und einen operativen Faktor
  • g-Faktor wird durch 12 Operations-Inhalts Kombinationen repräsentiert → B-I = bimodal, hierarchisch

Experimentelle Intelligenztheorie

Monistische Ansätze

Biologische Korrelate

Biologische Parameter werden Gesamtmaß von IQ gegenübergestellt.

Begann 1850, jedoch damals keine Ergebnisse aufgrund fehlender Methoden

  • Kopfgröße - Intelligenz: r=0,191
  • Hirnvolumen - I: CT, MRT: r=0,381, keine Alters- und Geschlechtsunterschiede
  • Hirnvolumen steigt als Folge von Erfahrung → höhere Neuronenzahl → höhere Synapsenzahl → höhere kogn. Kapazität, Unterschiedliches Ausmaß an Myelinisierung
  • ERP - Intelligenz: Endogene Komponente wies 0,25-0,41 für P300 Latenzen auf, für P300 Amplituden noch unklar
  • Intelligentere Personen haben kürzere Entscheidungszeiten, da schnellere Verarbeitung
  • Nervenleitgeschwindigkeit (NVC nerve conducting velocity): uneindeutige Ergebnisse, da Geschwindigkeit nach Körperregion verschieden
  • Glukosemenge - I (GMR Glucose metabolism rate):
    Bei dementen GMR corr. mit IQ = 0,64
    bei Gesunden: GMR und kogn. Aufwand positiv korreliert, GMR und Leistung innerhalb eines Aufgabentyps negativ korreliert




Hierarchische Intelligenztheorie

Modell Sternberg

basiert auf experimental-, kognitionspsychologischem bzw. informationsverarbeitendem Ansatz:

3 Bereiche intelligenten Verhaltens:

  1. Komponenten der inneren Welt:
    • Metakomponenten (übergeordnete Strategiekomponenten): Problemkenntniss, Enkodierung, Auswahl v. Repräsentationsart / Lösung
    • Ausführungskomponenten: Ausführung von Instruktionen auf Basis der Metakomponenten, Feedback über Fortschritt d. Problemlösung
    • Wissensaneignungskomponenten: Erwerb des für Meta- und Ausführungsk.benötigten Wissens, um selektiv zu encodieren, Infos zu kombinieren und Einheiten zu vergleichen
  2. Erfahrung (Bestandteile der inneren und äusseren Welt vermitteln):
    • Fähigkeit mit relativ neuem umzugehen (jünger besser)
    • Informationsverarbeitung automatisieren (älter mehr)
  3. Kontext
    • Anpassung an die Umwelt, sozialschicht- und kulturspezifisch unterschiedlich; westliche Kultur: abstrakt Denken, Aborigines: figurales Denken
    • Shaping der Umwelt, wenn Anpassung an die Umwelt nicht gelingt, wenn Shaping auch nicht klappt
    • Wechsel der Umwelt

Modifikation legt Schwerpunkt auf das Finden einer individuell funktionierenden Balance, in drei Intelligenzbereichen: praktischer, analytischer und kreativer Intelligenz im Sinne eines soziokulturell definierten Erfolgskriterium "success"


PASS - Theorie (Das, Nagri, Kirbi)

Kognitionspsychologisch ausgerichtet mit neuropsychologischer Fundierung

Unterschied zu anderen Modellen:

  • Betrachten dynamische kognitive Prozesse (anstatt statischer Fähigkeiten)
  • Theoretische neuropsychologische Fundierung
  • Performanz hängt von Effizienz kognitiver Prozesse ab

4 Kognitive Prozesse auf hohem Abstraktionsniveau:

  1. Aufmerksamkeit auf kognitive Ressourcen fokussiert:
    • Daueraufmerksamkeit (monotone Tätigkeit)
    • Selektive Aufmerksamkeit (auf bestimmte Reize gerichtet)
    • Distributive Aufmerksamkeit (auf Reizgruppen gerichtet)
    Hirnstamm als neuronales Korrelat, besonders die formatio reticularis (Orientierungsreaktion, Moderator beim Auftreten neuer Reize)
    • expressive Aufmerksamkeit
    • rezeptive Aufmerksamkeit
    Differenz der Reaktionszeiten zwischen leichten und schweren Aufgaben fungiert als Indikator für die Aufmerksamkeitsmenge.
  2. Simultane Kodierungen
    Relationen zwischen Infos werden kodiert. Ergebnis ist holistische Informationseinheit im KZG; Reihenfolge der Einzelelemente ist unwichtig
  3. Sukzessive Kodierungen
    Sammlung sequentieller Informationseinheiten, Reihenfolge ist wichtig, z.B. Tanzschritte
  4. Planung
    Hierarchisch übergeordneter kognitiver Prozess, Entwicklung einer richtigen und effizienten Strategie steht im Vordergrund, Bsp: visuelle Suchaufgaben